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2. Ehefrau und Kinder aus 1. Ehe: Wer erbt?

Meine Frau und ich leben beide in 2. Ehe. Ich habe 3 Kinder aus meiner 1. Ehe und meine Frau hat einen Sohn aus 1. Ehe. Alle unsere Kinder sind inzwischen erwachsen. Ich möchte, dass meine Frau nach meinem Tod in unserem Haus bleiben und von meinem Vermögen Gebrauch machen kann. Nach dem Tod meiner Frau soll das von mir geerbte Vermögen aber an meine Kinder „zurückgehen“. Was kann ich tun?

W.K.

Das Gesetz besagt, dass jede Person frei verfügen kann, was im Todesfall mit ihrem Vermögen geschieht. Die versterbende Person kann allerdings dann nicht frei über das Schicksal ihres Nachlasses verfügen, wenn Nachkommen, Eltern oder ein Ehegatte vorhanden sind. Diese engsten Angehörigen sind pflichtteilsgeschützt.

Pflichtteil

Beim Pflichtteil handelt es sich um denjenigen Anteil am Nachlass, welcher den Erben nicht entzogen werden kann. Bei der von Ihnen geschilderten Familiensituation beträgt der Pflichtteil der Nachkommen 3/8 des gesamten Nachlasses. Der Erblasser muss nur dann die Pflichteile der Nachkommen nicht berücksichtigen, wenn die Kinder freiwillig in einem Erbvertrag darauf verzichten. Sofern sich Ehegatten deshalb vollumfänglich begünstigen wollen, müssen die Kinder den Erbvertrag zwingend mitunterzeichnen. Voraussetzung ist, dass die Kinder mindestens 18-jährig sind, was bei Ihnen der Fall ist.

Vor- und Nacherbeneinsetzung

Wird aber auf eine zusätzliche Regelung für die Kinder verzichtet, so gehen die vorehelichen Kinder des erstversterbenden Ehepartners im Todesfall des Zweitversterbenden gänzlich leer aus, da sie nicht gesetzliche Erben des Zweitversterbenden sind. Das gesamte Vermögen geht diesfalls später alleine an das Kind des Zweitversterbenden, was nicht in Ihrem Sinn ist.

Damit die Kinder des erstversterbenden Ehepartners später „ihren“ Anteil erhalten, stehen Ihnen mehrere erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten offen. Der überlebende Ehepartner kann (bloss) als Vorerbe und die Kinder aus 1. Ehe als Nacherben eingesetzt werden. Dabei kann auch eine Nacherbeneinsetzung „auf den Überrest“ vorgesehen werden, d.h. der Vorerbe ist diesfalls berechtigt, frei über das Vorerbschaftsvermögen zu verfügen. Dies ist im Umfang des Pflichtteils der Nacherben aber nur dann möglich, wenn die Nacherben damit einverstanden sind und einen solchen Erbvertrag unterschreiben.

Die Nacherbeneinsetzung bietet auch erhebliche erbschaftssteuerliche Vorteile, da für die Bemessung der Erbschaftssteuer das Verwandtschaftsverhältnis des Erblassers mit den Nacherben (und nicht dasjenige zum Vorerben) massgebend ist.

Nutzniessung

Die Nutzniessung als weitere Gestaltungsmöglichkeit empfiehlt sich in Ihrem Fall insbesondere dann, wenn die Kinder den Erbvertrag nicht unterzeichnen wollen. Wird dem überlebenden Ehepartner im Erbvertrag das Eigenheim zur lebenslänglichen Nutzniessung zugewendet, so werden die Kinder aus 1. Ehe zwar Erben und Eigentümer. Der überlebende Ehepartner darf aber im Eigenheim wohnen bleiben oder dieses bei einem allfälligen späteren Wechsel in eine Alterswohnung auch vermieten und die Mietzinseinnahmen für sich beanspruchen. Für die Berechnung einer allfälligen Verletzung des Pflichtteils der Kinder wird dann nicht der Wert des Hauses, sondern lediglich der Wert der Nutzniessung herangezogen, welcher in Ihrem Fall deutlich tiefer ist.

Ich empfehle Ihnen, sich von einer Fachperson beraten zu lassen. Zu bemerken ist, dass ein Erbvertrag von einem Notar beurkundet werden muss, damit er rechtsgültig ist.

Kurzantwort
Ehegatten mit vorehelichen Kindern können sich von Todes wegen nicht unbeschränkt gegenseitig begünstigen, weil die vorehelichen Kinder pflichtteilsgeschützt sind. Für eine maximale gegenseitige Begünstigung müssen die Kinder auf ihren Pflichtteil verzichten und den Erbvertrag mitunterzeichnen. Sollen die vorehelichen Kinder nach dem Tod des zweitversterbenden Ehepartners „ihren“ Anteil „zurückbekommen“, so bieten sich eine Vor- und Nacherbeneinsetzung oder eine Nutzniessung an.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)