Überspringen zu Hauptinhalt

Das Wohnrecht in der Erbschaft

Mein verstorbener Vater hinterliess ein Haus und Barvermögen. Erben waren seine Ehefrau und 3 Töchter. Gemäss seinem Testament erben 2 Töchter das Haus, wobei der Ehefrau ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt wird. Die 3. Tochter erhält das Barvermögen. Hat nun diese 3. Tochter noch etwas am Haus zu Gute, falls die Mutter stirbt? Wird das Vermögen der Mutter bei deren Tod automatisch auf die 3 Töchter verteilt?

I.B.

Es stellt sich hier einerseits die Frage, ob das Testament überhaupt rechtswirksam ist. Andererseits ist die Erbfolge beim Tod der Mutter darzulegen.

Anfechtbarkeit des Testaments

Der pflichtteilsgeschützte Teil, d.h. derjenige Teil der Erbschaft, welcher den Erben durch Testament oder Erbvertrag nicht entzogen werden darf, beträgt für die Ehefrau ¼ des Nachlasses, falls – wie in Ihrem Fall – Kinder vorhanden sind. Die pflichtteilsgeschützte Erbin hat dabei Anspruch auf Ausrichtung ihres Pflichtteils zu Eigentum. Die Mutter müsste sich daher in Ihrem Fall die blosse Einräumung des Wohnrechts nicht gefallen lassen und könnte das Testament vor Gericht anfechten. Falls sie aber das Testament nicht innert eines Jahres seit Kenntnisnahme anficht, wird dieses – trotz Pflichtteilsverletzung – rechtsgültig.

Wegfall des Wohnrechts der Mutter

Wenn das Testament nicht angefochten wird, so sind 2 der Töchter mit dem Erbgang Eigentümerinnen des Hauses, welches mit dem Wohnrecht der Mutter belastet ist. Falls die Mutter nun stirbt, so fällt die Wohnrechtsbelastung mit dem Tod der Wohnrechtsberechtigten „automatisch“ weg.

Das Wohnrecht ist nämlich unvererblich. Es dauert maximal bis zum Tod der Berechtigten. Das Wohnrecht fällt damit nicht in den Nachlass der Mutter und die 3. Tochter kann daher keine Ansprüche hinsichtlich des Hauses mehr geltend machen, falls die Mutter stirbt. Die beiden anderen Töchter bleiben mithin Eigentümerinnen des – nunmehr unbelasteten – Hauses.

Nachlass der Mutter

Das Vermögen der Mutter wird bei ihrem Tod zu gleichen Teilen auf die 3 Töchter verteilt, falls die Mutter nicht noch einmal heiratet oder mittels Testament oder Erbvertrag eine oder zwei der Töchter oder andere Personen begünstigt.

In Ihrem Fall beträgt der gesetzliche Erbanteil jeder Tochter 1/3 des Nachlasses der Mutter und ihr Pflichtteil je ¼. Ihre Mutter kann daher über 25 % des Nachlasses mit Testament oder Erbvertrag frei verfügen und beliebige Personen in diesem Umfang begünstigen.

Falls sich Ihre Mutter wieder verheiraten sollte, so beträgt der gesetzliche Erbanteil des neuen Ehepartners ½ des gesamten Nachlasses und derjenige für alle Töchter zusammen ebenfalls die Hälfte. Der Pflichtteil der Töchter beträgt diesfalls bloss noch je 1/8 des Nachlasses.

Kurzantwort
Das Wohnrecht ist unvererblich. Stirbt die Wohnrechtsnehmerin, so fällt das Wohnrecht nicht in den Nachlass. Bei Wiederverheiratung eines Elternteils reduziert sich der Pflichtteil jedes Kindes im Ergebnis um die Hälfte.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)