Überspringen zu Hauptinhalt

Die Geliebte unseres Vaters plündert die Erbschaft

In Ihrem letzten Artikel haben Sie ausgeführt, dass wir das Testament innerhalb von einem Jahr mit Klage vor Gericht anfechten müssen, wenn unser verstorbener Vater seine Geliebte als Alleinerbin eingesetzt und uns Kinder übergangen hat. Nun hat sich herausgestellt, dass die Geliebte am Tag nach dem Tod unseres Vaters mit seiner Kreditkarte „gross“ eingekauft und Geld abgehoben hat. Wie können mein Bruder und ich das Plündern der Erbschaft künftig verhindern? Sie lebt noch in der Wohnung, welche unserem Vater gehörte. Was können wir tun?

R.A.

Zunächst gehe ich auf die Frage von Sicherungsmassnahmen ein.

Einsprache gegen die Ausstellung der Erbbescheinigung

Die Teilungsbehörde stellt der Geliebten nach einem Monat eine Erbbescheinigung aus. Sie können dies als gesetzlicher Erbe dadurch verhindern, dass Sie bei der Teilungsbehörde umgehend nach Kenntnis des Testaments Einsprache gegen die Ausstellung der Erbbescheinigung erheben. Mit der Einsprache wird die Auslieferung der Erbschaft verhindert.

Zu empfehlen ist dabei, dass Sie den Banken, bei welchen Ihr Vater Konten und/oder Wertschriften hatte, Ihre Einsprache sofort schriftlich zur Kenntnis bringen. Die Banken werden dann – im eigenen Interesse – die Konten sperren, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Inventar, Siegelung und ähnliche Massnahmen

Das Gesetz sieht weitere Sicherungsmassnahmen vor. Insbesondere können Sie die Aufnahme eines Inventars, die Siegelung oder eine „ähnliche Sicherstellung“ bei der Teilungsbehörde verlangen. Die eigentliche Siegelung ist heute kaum mehr von praktischer Bedeutung, wohl aber ähnliche Sicherungsmassnahmen wie z.B. behördliche Verwahrung und Einschliessung von Gegenständen, Wegnahme und Verwahrung von Schlüsseln, Verfügungssperren über Bankguthaben und –depots sowie über Grundstücke etc.

Sie können also in Ihrem Fall bei der Teilungsbehörde verlangen, dass diese ein Inventar aufnimmt, bestimmte Gegenstände und Schlüssel verwahrt und Verfügungssperren über die Bankkonten und Grundstücke Ihres Vaters erlässt. Wichtig ist in allen Fällen, dass Sie rasch handeln, ob Sie nun Einsprache gegen die Ausstellung der Erbbescheinigung erheben oder weitere Sicherungsmassnahmen verlangen.

Wohnen in der Wohnung des Erblassers

Hinsichtlich Ihrer weiteren Frage, wie es sich mit dem Verbleiben der Geliebten in der Wohnung Ihres Vaters verhält, ist Folgendes zu bemerken:

Wenn Sie das Testament rechtzeitig vor Gericht wegen Pflichtteilsverletzung angefochten haben, so bleibt der Geliebten – wenn Ihre Mutter wie in Ihrem Fall bereits vorverstorben ist – die frei verfügbare Erbquote von 25 % des Nachlasses und Sie und Ihr Bruder erhalten zusammen 75 % des Nachlasses, was Ihrem Pflichtteil entspricht.

Die Erben werden mit dem Tod des Erblassers von Gesetzes wegen Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände. Da ihnen auch der Nutzen an der Erbschaft bis zur Erbteilung gemeinsam zukommt, schuldet ein Erbe nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dem Nachlass eine Entschädigung, wenn er vor der Teilung Erbschaftsgegenstände für seine eigenen Zwecke nutzt. D.h. hier muss sich die Geliebte Ihres Vaters in der Erbteilung einen angemessenen Mietzins für die Dauer der Nutzung der Wohnung auf Ihren Erbanteil von einem Viertel anrechnen lassen.

Kurzantwort
Mögliche Sicherungsmassnahmen zum Schutz der Erbschaft sind die Einsprache gegen die Ausstellung der Erbbescheinigung, die Aufnahme eines Inventars, die Siegelung und ähnliche Massnahmen. Wohnt ein Erbe weiterhin in der Wohnung des Erblassers, so schuldet er dem Nachlass einen angemessenen Mietzins.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)