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Ausschluss der Kinder vom Erbe

Ich habe zwei erbberechtigte Nachkommen, die sich seit meiner Scheidung vor über 30 Jahren nicht mehr bei mir melden und mir meine Enkel absichtlich vorenthalten. Nach aktuellem Erbrecht ist eine Enterbung nicht möglich, und ihr Pflichtteil sicher. Kann ich aber einen Erbschafts-Verzichtsvertrag nach Art. 495 ZGB verlangen? Wie steht es mit der Form dieses Vertrages? Muss er beglaubigt werden? Was raten Sie mir?

A.T.

Wie Sie richtig festgestellt haben, wird in Art. 495 ZGB der sogenannte Erbverzichtsvertrag geregelt. Wird ein solcher Vertrag abgeschlossen, fällt der Verzichtende beim Erbgang als Erbe ausser Betracht. Das Problem in Ihrem Fall dürfte aber darin bestehen, dass der Erbverzichtsvertrag das Einverständnis aller beteiligten Vertragsparteien voraussetzt und Ihre Kinder offenbar gerade nicht freiwillig auf ihren Erbanteil verzichten wollen. „Verlangen“ können Sie den Erbverzichtsvertrag von Ihren Kindern gegen deren Willen nicht, aber Sie können ihnen natürlich einen „Erbauskauf“ anbieten, d.h. den Verzicht auf ihren Erbanteil gegen Auszahlung eines bestimmten Betrages. Ein Erbverzichtsvertrag muss öffentlich beurkundet werden, damit er formgültig ist.

Falls Sie sich mit Ihren Kindern nicht auf einen solchen Vertrag einigen können, so können Sie Ihre Kinder dennoch von der Erbengemeinschaft ausschliessen. Zwar können Sie ihnen den Pflichtteil nicht wertmässig entziehen, aber Sie können mit Testament bestimmen, dass ihnen die Erbenstellung entzogen wird und Sie bloss ein Vermächtnis in der Höhe des Pflichtteils erhalten. Dann können Ihre Kinder in der Erbteilung nicht mitbestimmen.

Mit einer Enterbung könnte Ihren Kindern der Pflichtteil sogar ganz entzogen werden. Die Hürden für eine rechtsgültige Enterbung sind nach Gesetz und Rechtsprechung aber hoch. In Frage käme allenfalls der Enterbungsgrund, wonach Ihre Kinder die ihnen obliegenden familienrechtlichen Pflichten gegenüber Ihnen schwer verletzt haben. In Ihrem Fall ist m.E. gestützt auf die Rechtsprechung noch kein Enterbungsgrund gegeben. Falls Sie Ihre Kinder dennoch enterben würden, müssten die Kinder das Testament innert eines Jahres seit Kenntnis mit Herabsetzungsklage wegen Pflichtteilsverletzung gerichtlich anfechten. Falls sie die Anfechtung unterlassen oder die Frist verpassen, würde die Enterbung gültig.

Ein Testament kann, muss aber nicht öffentlich beurkundet werden. Es reicht für die Formgültigkeit, wenn Sie das Testament von Anfang an bis zum Schluss handschriftlich niederschreiben, mit dem Datum versehen und unterschreiben. Falls Sie sich mit den Nachkommen nicht auf einen Erbverzichtsvertrag einigen können, rate ich Ihnen daher, sie testamentarisch von der Erbengemeinschaft auszuschliessen und ihnen entweder ein Pflichtteilsvermächtnis zuzusprechen oder sie zu enterben, wobei Letzteres das Risiko der Anfechtung in sich birgt.

Abschliessend weise ich Sie darauf hin, dass das Erbrecht derzeit revidiert wird (der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesrevision ist noch nicht bestimmt) und die Pflichtteile der Nachkommen dabei aller Voraussicht nach reduziert werden.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)