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Sechsfamilienhaus im Gesamteigentum der Erbengemeinschaft

Meine vier Geschwister und ich – alle zwischen 70 und 80 Jahre alt – besitzen als Erbengemeinschaft ein Sechsfamilienhaus. Früher oder später wird die nächste Generation an unsere Stelle treten. Im Hinblick darauf möchte ich das Sechsfamilienhaus im Gesamteigentum der Erbengemeinschaft in Miteigentum umwandeln, bei dem jedes Geschwister zu 1/5 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Mein Bruder hingegen möchte die verschiedenen Wohnungen in der Erbteilung den einzelnen Erben zu Alleineigentum zuweisen. Welches sind die Vor- und Nachteile des jeweiligen Vorgehens? Wie können wir einen Entscheid herbeiführen, wenn wir uns nicht einig werden? Abstimmung mit einfacher Mehrheit?

J.R.

Ich werde zunächst auf die Steuerfolgen eingehen.

Steuerfolgen bei der Umwandlung von Gesamteigentum in Miteigentum

Wird im Rahmen der Erbteilung Gesamteigentum in Miteigentum umgewandelt, so ist das Verhältnis zwischen dem Erblasser und den Erben entscheidend, die Miteigentum erwerben. Handelt es sich bei den Erben um den Ehegatten, eingetragenen Partner oder um Verwandte in auf- oder absteigender Linie, so ist keine Handänderungssteuer geschuldet. Haben Sie und ihre Geschwister das Sechsfamilienhaus von ihrer Mutter oder ihrem Vater geerbt, so fallen für Sie und ihre Geschwister keine Handänderungssteuern an, sollte das Gesamteigentum in Miteigentum umgewandelt werden. Anders wäre der Fall, wenn Sie und ihre Geschwister ein Geschwister von ihnen beerbten. Diesfalls wäre eine Handänderungssteuer geschuldet.

Eine Grundstückgewinnsteuer ist bei der Umwandlung von Gesamteigentum in Miteigentum nicht geschuldet, wenn sich die Eigentumsquoten nicht verschieben. Sind sie alle zu 1/5 am Nachlass berechtigt und wird das Gesamteigentum in Miteigentum zu je 1/5 umgewandelt, so fallen für sie keine Grundstückgewinnsteuern an. Verschieben sich hingegen die Eigentumsquoten, so wird die Besteuerung aufgeschoben, wenn der Eigentumswechsel durch Erbteilung oder unter Ehegatten oder eingetragenen Partnern erfolgt.

Übertragung eines Miteigentumsanteils von einem Miteigentümer auf einen anderen Miteigentümer

Überträgt ein Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil auf einen anderen Miteigentümer, so ist eine Handänderungssteuer geschuldet, wenn es sich bei den Miteigentümern nicht um Ehegatten oder eingetragene Partner handelt und die Miteigentümer nicht in auf- oder absteigender Linie verwandt sind.

Eine Grundstückgewinnsteuer wird aufgeschoben, wenn die Übertragung des Miteigentumsanteils infolge Erbgang oder unter Ehegatten oder eingetragenen Partnern erfolgt. Erfolgt die Übertragung nicht infolge eines Erbgangs oder an einen Ehegatten oder eingetragenen Partner, so ist eine Grundstückgewinnsteuer geschuldet.

Eine Übertragung des Miteigentumsanteils von ihnen und ihren Geschwistern auf ihre Nachkommen infolge Erbgangs würde keine Steuerfolgen nach sich ziehen.

Fortgesetzte Erbengemeinschaft

Besteht eine Erbengemeinschaft über längere Zeit, so wird vermutet, dass die Erben eine einfache Gesellschaft begründet haben und die Erbteilung bereits mit der Gründung der einfachen Gesellschaft stattgefunden hat. Erfolgt die Umwandlung von Gesamt- in Miteigentum nicht im Rahmen der Erbteilung, so ist keine Handänderungssteuer geschuldet, soweit die Anteile der einzelnen Beteiligten wertmässig gleich bleiben. Bleiben die Anteile der Beteiligten wertmässig nicht gleich, so ist keine Handänderungssteuer geschuldet, wenn das Eigentum auf Ehegatten, eingetragene Partner oder Verwandte in auf- oder absteigender Linie übertragen wird.

Haben die Erben eine einfache Gesellschaft begründet, so würde die Grundstückgewinnsteuer lediglich bei einer Übertragung des Eigentums an einen Ehegatten oder eingetragenen Partner aufgeschoben. Bei der Übertragung an Nachkommen würde die Grundstückgewinnsteuer nicht aufgeschoben werden. Wird das Gesamteigentum in Miteigentum umgewandelt, so ist keine Grundstückgewinnsteuer geschuldet, wenn sich die Eigentumsquoten nicht verschieben.

Begründung von Stockwerkeigentum

Die wohl sinnvollste Lösung im Sinne einer längerfristigen Betrachtung ist die Begründung von qualifiziertem Miteigentum im Sinne von Stockwerkeigentum. Im Rahmen der Erbteilung könnten die Stockwerkeinheiten Ihnen und ihren Geschwistern zu Alleineigentum unter Anrechnung des jeweiligen Werts der einzelnen Wohnungen an den Erbteil zugeteilt werden. Diesfalls hätte jeder Erbe die Möglichkeit seine Wohnung ausschliesslich zu benutzen.

Entscheidfähigkeit der Erbengemeinschaft

Durch den Todesfall sind Sie und Ihre vier Geschwister Gesamteigentümer des Sechsfamilienhauses geworden. Um das Sechsfamilienhaus in Miteigentum oder Stockwerkeigentum umwandeln zu können, braucht es die Zustimmung sämtlicher Erben. Wird keine Einigung erzielt, so ist es nicht möglich, eine Entscheidung mittels Abstimmung herbeizuführen. Nötigenfalls müsste das Gericht über die Erbteilung entscheiden. Ist die Umwandlung in eine Miteigentümergemeinschaft oder eine Stockwerkeigentümergemeinschaft erfolgt, so sind Mehrheitsentscheide dieser Gemeinschaften möglich.

Kurzantwort
Beerben Geschwister ihre Eltern, so fallen bei der Umwandlung von Gesamteigentum in Miteigentum im Rahmen der Erbteilung keine Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuern an. Begründet eine fortgesetzte Erbengemeinschaft eine einfache Gesellschaft, so ändern sich die Steuerfolgen. Entscheide betreffend Umwandlung einer im Gesamteigentum der Erbengemeinschaft stehenden Liegenschaft in Miteigentum oder Stockwerkeigentum bedürfen der Zustimmung sämtlicher Erben. Wird keine Einigung erzielt, so müsste nötigenfalls das Gericht über die Erbteilung entscheiden.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)