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Gleichbehandlung der Kinder von Patchwork-Familien

Ich (79, w) habe 3 Kinder aus erster Ehe (Ehemann verstorben) und 1 Kind aus der jetzigen Ehe. Wie wird das Erbe aufgeteilt, wenn ich oder mein Mann verstirbt? Wie kann ich vorgehen, dass kein Kind benachteiligt wird, d.h., ich möchte, dass alle Kinder in jedem Fall gleich viel erben. Ist das möglich?

H.R.

Ihre Familienkonstellation birgt tatsächlich Potential für Ungerechtigkeit oder zumindest als solche empfundene, da die Erbschaft für die vier Kinder je nach Reihenfolge der Todesfälle unterschiedlich ausfällt.

Wenn ein Ehepartner stirbt und neben dem überlebenden Partner weitere Erben vorhanden sind, ist zunächst zu bestimmen, was einerseits zur Erbschaft des Verstorbenen und was andererseits zum eigenen Vermögen des überlebenden Partners gehört. Danach ist die Erbschaft des Verstorbenen zwischen dem überlebenden Partner und den anderen Erben zu teilen.

Unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung wird zwischen dem Eigengut und der Errungenschaft jedes Ehepartners unterschieden. Zum Eigengut gehören das voreheliche Vermögen sowie Erbschaften und Schenkungen. Errungenschaft bildet das während der Ehe angesparte Vermögen. Stirbt ein Ehepartner, so kann der überlebende Partner nach Güterrecht sein Eigengut behalten und erhält die Hälfte der beiden Errungenschaften der Ehepartner. Die andere Hälfte der Errungenschaften sowie das Eigengut des Verstorbenen fallen in dessen Nachlass und sind erbrechtlich zu teilen.

Sterben Sie vor Ihrem Mann, erhält er vorweg die Hälfte der beiden Errungenschaften und kann sein Eigengut behalten. Die andere Hälfte der Errungenschaften sowie Ihr Eigengut fallen in Ihren Nachlass. An diesem Nachlass erhält Ihr Ehemann nochmals die Hälfte und die andere Hälfte geht an die vier Kinder, d.h. jedes Kind erhält aus der Erbschaft je 1/8. Wenn danach der Ehemann stirbt, erhält das vierte Kind, d.h. das gemeinsame Kind mit Ihrem (zweiten) Ehemann, den gesamten restlichen Nachlass alleine und die 3 anderen Kinder gehen „leer aus“.

Stirbt Ihr Ehemann vor Ihnen, erhalten Sie vorweg die Hälfte der beiden Errungenschaften und können Ihr Eigengut behalten. Die andere Hälfte der Errungenschaften sowie das Eigengut des Ehemannes fallen in dessen Nachlass. An diesem Nachlass erhalten Sie nochmals die Hälfte und die andere Hälfte das vierte Kind. Nach Ihrem Tod erhalten die vier Kinder je ¼ Ihres Nachlasses.

Zusammenfassend „profitiert“ also das vierte Kind, wenn Sie vor Ihrem Ehemann sterben.

Will man diese „Absterbenslotterie“ vermeiden und eine faire Lösung für alle finden, empfiehlt es sich, einen Erbvertrag mit allen Beteiligten, d.h. mit beiden Ehepartnern und allen Kindern, abzuschliessen. In diesem Erbvertrag, welcher von einem Notar öffentlich beurkundet werden muss, ist zu regeln, wer in welchem Erbfall wieviel erhält.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)